Kontinuum der Ausnahmezustände. Hans-Henny Jahnn 1930-1950
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2016-12-31Author
Pusse, Tina-Karen
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Pusse, Tina-Karen. (2016) Kontinuum der Ausnahmezustände. Hans-Henny Jahnn 1930-1950. Ästhetik und Ideologie 1945 Wandlung oder Kontinuität poetologischer Paradigmen deutschsprachiger Schriftsteller: Vol. 67. Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (pp. 147-158): De Gruyter.
Published Version
Abstract
Hans Henny Jahnn (1894‒1959) gilt heute als einer der „großen produktiven
Außenseiter des [20.] Jahrhunderts“ und zugleich als „Verneiner der Zivilisation“1 Die
meisten Standardwerke der deutschen Literaturgeschichte folgen im Grunde bis
heute der nationalsozialistischen Presse, der er als ‚Kommunist und Pornograph‘ gilt,
bewerten dies aber je nach politischer Ausrichtung als positiv oder negativ. Auch
Bergs Sozialgeschichte merkt an, dass in fast allen seiner Texte das Inzesttabu
gebrochen werde,2 sagt aber wenig über die ästhetische Dimension oder die
Entwicklung seines Werks. Eine „Stunde Null“ lässt sich in Jahnns Schreiben nicht
konstatieren; sein zwischen den Jahren 1937 und 1951 verfasster Roman Fluss
ohne Ufer3 amalgamiert Elemente des expressionistischen Dramas mit zahlreichen
intertextuellen Verweisen (z.B. auf Büchner, Rousseau und Kleist) und präsentiert sie
in der Form eines modernen Romans (inklusive der genretypischen
fragmentarischen Elemente), ohne dass sich Stilbrüche oder -verschiebungen am
Datum des Kriegsendes oder Jahnns vorübergehender Rückkehr nach Deutschland
festmachen ließen. Auch thematisch präsentiert sich das Jahnnsche Werk als
Kontinuum – und zwar nicht als eines, das Terror und Entmenschlichung des
Faschismus ignoriert, sondern eher als eines, dass diese nicht als Ausnahmezustand
behandelt, sondern als ständige Möglichkeit der Entgleisung, die sich aus
unterschiedlichen Motiven ins Alltagsleben seiner Protagonisten schieben.